Historischer Kontext Stufenbezeichnungen

„Interessante" rhetorische Analyse, auf deren Fehlschlüsse ich jedoch nicht weiter eingehen werde, da dies – ebenso wie dein Kommentar – inhaltlich nicht zur Klärung der Sachfrage beiträgt. Geht es hier um eine Debatte um der Debatte willen, oder streben wir einen Konsens an? Genau wie Mira – und die Antragsteller – weichst du meiner Kernfrage mit rhetorischen Kniffen aus, indem du die Form über den Inhalt stellst. Immerhin bleiben Günni und Josephine ergebnisorientiert, was ich sehr schätze.

Ich bin mir bewusst, dass eine Umbenennung mit diesem Antrag aktuell nicht vorgesehen ist, doch auch zwischen den Zeilen lässt sich eine klare Richtung erkennen. Der mögliche Schritt ist aus der Perspektive mancher Kolonialismuskritiker durchaus absehbar. Warum sollte man sonst einen offiziellen Antrag mit diesen Prämissen einreichen, wenn nicht, um irgendwann konkretere Maßnahmen zu ergreifen? Oder, um den Weg für zukünftige Entscheidungen zu ebnen – nicht zwingend, aber als Option.

Die Prämissen mögen auf den ersten Blick „harmlos“ erscheinen und könnten vermutlich unkritisch von der BV durchgewunken werden. Was spricht schon dagegen? Kritik ist immer gut, oder? Immerhin sind wir Pfadfinder – ein Appell an den Ethos. Also müssen wir in allem kritisch sein (logischer Fehlschluss). Welcher verantwortungsbewusste Pfadfinder würde dem nicht zustimmen?
Ein Bundesvorstand kommt dann schon moralisch in Bedrängnis, wenn er nicht handelt. Auch wenn die Entscheidung schlussendlich bei ihm liegen soll, was ich begrüße.
(Alternativ könnte man auch einfach eine Mail an den Bundesvorstand senden oder ein Protokoll der AK-Sitzungen hochladen, wenn alles so „ergebnisoffen“ bleiben soll, wie hier dargestellt. Aber das ist ein anderes Thema)

Die Antragsteller betonen wiederholt, dass dieses Thema in zukünftige Prozesse integriert werden soll, während du es in deiner Argumentation eher negierst – wenn auch nicht für die Zukunft. Aber vielleicht liege ich da falsch?

Ich freue mich, dass du zumindest derzeit der Ansicht bist, eine Umbenennung sei für dich nicht relevant.

PS: Satan redet mit mir über negativ konnotierte Namen und deren kritische Hinterfragung. Genau mein Humor :smiley:

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Danke für eure Antwort.

Einerseits bestätigt ihr ja, dass ihr nicht vollständig „ergebnisoffen“ in eurer eigenen Meinung seid. Danke erstmal dafür.

Für mich ist es immer noch die entscheidende Frage nach der Abwägung von Schaden und Nutzen, der wir uns noch nicht wirklich angenähert haben.

Ich komme hier mal auf zunächst auf euren Punkt:

Allerdings sollte das nicht dazu führen, dass dem offenen Rassismus (siehe pfa.de Artikel aus der Begründung, Absatz 8&9: hier ) im Dschungelbuch gegenüber, die Augen verschlossen werden. Mit der Verwendung des Wölflingsbegriffs in Verbindung mit dem Dschungelbuch laufen wir Gefahr, diese Ansichten zu reproduzieren und indirekt zu bewerben.

Könnt ihr diese Annahme bitte fundiert begründen und mit konkreten Beispielen aus der selbst gelebten Praxis untermauern? Es fällt mir schwer, ein praktisches Szenario zu erkennen, in dem dieser Zusammenhang tatsächlich relevant wäre. Aus meiner Sicht basiert diese Argumentation eher auf einer theoretischen Überlegung, die wenig (aus meiner Sicht „nichts“) mit der realen Arbeit in der Wölflingsstufe zu tun hat.

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Hallo liebe Diskutierende,

Es ist super, dass hier schon so rege diskutiert wird und ein so großes Interesse an der Thematik dieses Antrags besteht.

Das Forum “mitreden” ist ein wichtiger Baustein, um schon im vorhinein zu den Inhalten der Bundesversammlung Punkte sammeln zu können, die mit in die Meinungsbildung einfliessen können.

Allerdings ist es auch wichtig, dass die Diskussionen hier niedrigschwellig zugängig und übersichtlich bleiben, um wirklich für die Vorbereitung der Delegierten auf die BV hilfreich zu sein. Diesen Aspekt sehe ich bei diesem Thema gerade leider etwas in Gefahr.

Ich möchte euch daher bitten, die Diskussionen auf die wesentlichen inhaltlichen Punkte zu reduzieren, und euch vor jedem geschriebenen Beitrag zu fragen “Ist mein Beitrag neu? Trägt er zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Thema bei?” - und im Zweifel auf weitere Beiträge zu verzichten.

Also: Bitte tragt alle dazu bei, dass diese Diskussion für unsere Delegierten relevant bleibt!

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Hallo Leute,
ich als Internet-Rambo und Mitreden-Ultra wollte auch mal meinen Senf dazugeben. Also vorab: Mir ist es komplett Wurst, wie die Stufen am Ende genannt werden sollen. Und wenn ich Bock habe, in meinem Stamm weiter Wölflinge Wölflinge zu nennen – oder Meutlinge, Pimpfe oder Mainzelmännchen – dann kontrolliert das auf Bundesebene sowieso keine*r. Und kann das auch gar nicht.

Zum Dschungelbuch:
Das spielt in unserem Wöli-Alltag absolut keine Rolle. Kaum zu glauben, aber gute Gruppenarbeit bekommt man auch ohne hin.

Jetzt zu meiner Kritik am Antrag und der Begründung:
Zuerst mal ganz allgemein: Ihr beauftragt die Bundesleitung damit, einen Prozess anzustoßen, um zu prüfen, ob unsere Stufenbezeichnungen kritisch sind – und packt dann in eure Begründung quasi schon die Ergebnisse dieser Überprüfung. Warum stoßt ihr dann nicht einfach den Prozess an? Und sobald ihr Vorschläge habt, wie man die Bezeichnungen ändern könnte, stimmen wir im Bund darüber ab, ob die für die Mehrheit passen. Ich hab manchmal das Gefühl, im BdP wird gerne viel gedacht, aber nicht gemacht.

Ich bin jetzt schon fast zwei Jahrzehnte dabei – und keine Sorge, ich mache auch bald Platz für Jüngere – aber bis heute dachte ich, dass bei „Ranger und Rover“ die Ranger für die Frauen und die Rover für die Männer stehen. Was natürlich immer noch nicht perfekt ist, weil es längst nicht alle Geschlechter abdeckt – trotzdem danke für die Aufklärung.

Was ich nicht verstehe, ist eure Übersetzung ins Deutsche. Ranger und Rover sind im Englischen – wie fast alles – genderneutral. Man könnte es also genauso gut mit Försterin, Wildhüterin oder Feldhüterin übersetzen, aber das habt ihr nicht getan.

Ansonsten bin ich immer froh, wenn wir Traditionen hinterfragen und als Bund mit der Zeit gehen. Die Zugvögel haben dazu letztes Jahr auf der Waldeck ein wunderschönes Lied vorgestellt, aus dem ich – aus Kitschgründen – gern zitieren möchte:

„Gutes gilt es zu bewahren, aber nicht bedingungslos,
denn sonst sind nach 100 Jahren wir ein müder Abklatsch bloß.“
~Ruski vom Zugvogel, aus dem Lied Ritter, Landsknecht und Scholaren

Gut Pfad
Timon

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Lieber Günni (ich nenne nur dich hier, weil du auch zu der Bundesleitung gehörst die dann prüfen soll),
mir ist noch etwas unklar, warum ihr diesen Beschluss anstrebt. Ich erkenne nicht die Notwendigkeit, dass sich die Bundesleitung zur Prüfung „wie und ob ein Prozess angestoßen werden kann“ einen Auftrag der Bundesversammlung holen muss. In meinem Verständnis deines Mandats, bist du / seid ihr genau für solche Aufgaben gewählt und kannst / könnt selber diesen Fokus festlegen.

Das „ob“ stört mich daher tatsächlich, weil ihr nichtmal ein starkes Mandat bekommt, sondern „nur“ die Möglichkeit etwas zu machen … oder halt nicht.

Das ihr vorallem auf Kapazitäten prüfen wollt

klingt für mich nach Alltagsgeschäft in der Bundesleitung.

Ich bin bei Timon, da ihr scheinbar inhaltlich schon einiges wisst und eine Position habt. Warum dann keinen Antrag zu einem konkreten Prozess machen?

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Hallo Timon, hallo Satan,

es stimmt, dass der Antrag nicht notwendig wäre, um einen solchen Prozess anzustoßen. Aus verschiedenen Gründen haben wir uns trotzdem dazu entschieden, den Antrag zu stellen.
Zum einen wollten wir gerne eine Trennscharfe Abgrenzung zum vorangegangenen Prozess schaffen, der ebenfalls durch einen BV-Antrag angestoßen wurde und aus dem heraus sich das neue Themenfeld eröffnet hat. Zum anderen fanden wir, dass ein Antrag in der speziellen Situation des Bundesvorstandswechsels der richtige Weg ist. Wir erhoffen uns, dass das Thema auf diese Weise weder aus den Augen zu verloren wird, noch dem neuen Vorstand den Raum für eine eigene Ausrichtung nimmt.

Liebe Grüße
Josephine und Günni

Hey liebe Mitlesende,

Fuchs aus der AG Kolonialismuskritik hier. Ich hoffe, ein bisschen Substanz für die Diskussion liefern zu können, damit hier nicht einfach Fragen im Raum stehen ohne beantwortet zu werden und sich am Ende alle denken „jo stimmt, die Diskussion ist irrelevant“.

Da ich selbst höchstens noch als Vertretung aktive Gruppenarbeit mache, möchte ich mich zur Frage von Entscheidungen zurückhalten. Aber im Antrag lese ich vor allem auch erstmal ein Bedürfnis nach Auseinandersetzung und Verstehen, das wurde hier ja mehrfach erklärt.

Seit mehr als 5 Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema Kolonialismus und Pfadfinden und habe dazu schon mit vielen Aktiven Gedanken ausgetauscht und von diversen Pfadi-Geschichts-Nerds gelernt. Unter anderem diese Arbeit hat solche Diskussionen wie diese hier weiter befeuert (was mich freut – Wo Bewegung, da Veränderung und da sehe ich eine hellere Zukunft). Jetzt geht es aber natürlich darum, dass wir einerseits verstehen, wovon wir reden, und andererseits konstruktiv schauen, welche Schlüsse wir ziehen wollen. Vor dem Hintergrund der Fachtagung Pfadfinden zum Thema „Kolonialismus und Pfadfinden“, die letztes Wochenende stattgefunden hat, möchte ich ein paar Punkte und Anregungen teilen.

Vorab: Ja, ich hab Kram studiert, der sich mit sowas auseinandersetzt und auch beruflich berühren mich Themen wie Kolonialismus und strukturelle Diskriminierung. Und ja, nicht alles, was ich dazu sagen kann ist sofort direkt anwendbar für die praktische Arbeit in den Gruppen und es ist auch nicht mein Anspruch, dass alle aktiven BdPler* innen Lust haben, sich damit auseinanderzusetzen. Aber: Es ist meine Erfahrung (nach vielen Workshops und Kurseinheiten und Anfragen), dass diese Themen vielen Pfadfinder* innen ein Anliegen sind – Weil ihnen was aufgefallen ist und sie sich damit mindestens unwohl fühlen. Und viele Gruppenleitungen und Teamer* innen im BdP experimentieren (eigentlich schon immer) damit, wie z.B. Erkenntnisse aus Geschichtswissenschaften, Sozialwissenschaften, etc. etc. praktisch unsere Arbeit informieren und letztendlich „besser“ machen können. In unseren Methoden finden wir eine Kombi von Erfahrung, Intuition und auch Hirnschmalz. Ich finde, das ist ein Schatz.

Ich schätze konstruktive Kritik, aber den Schuh mit dem abfälligen Verweis auf die Uni-Seminare ziehe ich mir nicht an. Aber: Ich sehe das als Aufruf, dass unser Lernen praktisch relevant bleiben muss. Ich setze mich ja auch nicht in eine Runde von Tischler* innen und erzähle denen wir nervig ich die Details über welcher Leim wofür finde – Ich bin ja froh, wenn die stabile Möbel bauen. Das machen die auch deshalb so gut, weil denen regelmäßig jemand Rückmeldung gibt, ob er* sie bequem sitzt. (Funktioniert die Metapher für euch?)

Deshalb folgt hier ein recht langer Beitrag mit hoffentlich einigen recht konkreten Fragen und Anregungen.

Ich gehe sehr da mit, dass unsere Stufenarbeit und damit die Begriffe von uns selbst mit Leben gefüllt werden sollen und darin sind wir ziemlich gut. Ich denke auch, dass Bedeutungen sich wandeln können. Aber kritisch zu hinterfragen, ob aus der Geschichte nicht vielleicht doch was weitergetragen wird, was unseren Idealen widerspricht, kann erhellend und produktiv sein. Ob das dann letztendlich bedeutet, dass wir Begriffe ablegen müssen, ist damit nicht gesagt.

Also hier meine 50 Cent zu den Begriffshintergründen (nachdem ich nochmal mit einigen Leuten aus meinem Umfeld gequatscht habe):

Das Dschungelbuch selbst stammt aus einem klar kolonialistischen Kontext - der Artikel, den Wiebke und ich vor 4 Jahren geschrieben haben wird ja hier zitiert, mittlerweile haben wir mit immer mehr Menschen darüber gesprochen und konnten noch mehr lernen.
Es gibt unterschiedliche Analysen dessen, ob dieser Kontext und dieses Weltbild auch heute noch von Kindern, die es lesen verstanden wird (weil z.B. die Metaphern von heutigen Leser*innen nicht direkt mit dem britischen Imperialismus in Zusammenhang gebracht werden). Was ich aber schon häufig von aktiven Meutenführungen gehört habe ist, dass ihnen direkt auffällt, wie im Dschungelbuch Ideen einer recht gewaltvollen Erziehung transportiert werden. Vor allem deshalb gibt es modernere Überarbeitungen, die einige Meutenführungen nutzen.

Was man festhalten kann: Ob das Dschungelbuch genutzt wird oder nicht, ist von Stamm zu Stamm sehr unterschiedlich und unterschiedlich ist auch, welche Fassung genutzt wird. Immer mal wieder wird noch heute hier und da die Urfassung hervorgekramt auf der Suche nach Futter für Spielgeschichten und Programm - Es ist nun mal (Stand Jetzt) die Grundlage der Wölflingspädagogik. Ist halt die Frage, wie wir damit umgehen wollen und ob das nicht vielleicht doch irgendwo dazu beiträgt dass koloniale Weltbilder mehr normalisiert als hinterfragt werden. Ich denke, mit aktiven Meutenführungen und auch Wölflingen sprechen hilft: Was wollen die vom Dschungelbuch? Und finden die darin, was sie wollen? Oder sind die eigenen, in der Gruppe erfundenen, Traditionen, die vielleicht nicht unbedingt was mit dem Buch zu tun haben, viel wichtiger und geliebter?

Hier lohnt ein Austausch z.B. mit dem VCP. Die haben gerade beschlossen die Spielgeschichte für die Wölflingsstufe bis 2028 zu überarbeiten.

Was die Diskussion auch informieren könnte ist mal mit Leuten zu sprechen, die keine Pfadfinder*innen sind. Denn das wir alle mit unseren Begriffen was Positives verbinden ist klar (wir machen ja auch tolle Arbeit), aber wir wollen ja auch ggf. mehr Kinder erreichen.

Dazu ein Eindruck der Fachtagung Pfadfinden: Chrissi Hunger (VCP) und Raani Keldermann (Vorsitzende der Scouts Aotearoa) haben dort einen Workshop organisiert unter dem Titel „Why to say Goodbye to the Jungle Book and how?“

Ein interessanter Punkt von Raani: Sie haben explizit bei z.B. Gemeinden der Maori und Südasiatischen Bevölkerung nachgefragt, ob Pfadfinden für sie interessant ist und sie ihre Kinder anmelden würden. Ein Punkt (unter vielen), der zurückgemeldet wurde, war, dass diese Gruppen das Dschungelbuch explizit als rassistisch ansehen und mindestens ein ungutes Gefühl hätten ihre Kinder bei einem Verband anzumelden, der es als Spielgeschichte nutzt. Die Scouts Aoteaora haben das nicht nochmal groß nachgeforscht (keine musste ein Uni-Seminar dafür belegen ;-)), sondern einfach angenommen und gesagt: Ja okay, dann besser was anderes. Interessant hier: Sie nutzen weiterhin den Begriff „Cubs“, aber eben nicht mehr das Dschungelbuch.

Und auch spannend: In unserem Workshop auf der Fachtagung haben diese Fragen vor allem ein Gespräch darüber geöffnet, was wir eigentlich mit Geschichten erreichen wollen, und was Kinder unserer Erfahrung nach cool und aufregend finden. Das sind meiner Erfahrung nach die wirklich spannenden Fragen (und auch die können dazu führen bestimmte Traditionen abzulegen – weil Kinder sich eventuell nicht darin wiederfinden. Wie gesagt: KANN sein).

Ich hab kürzlich mit einer indischen Freundin von mir über das Dschungelbuch gesprochen und sie sagte direkt „Ah you mean the book that’s telling us we are uncivilized? Of course I know that!“ (Das ist erstmal eine Annekdote, eine Einzelperson, aber: Es kann sehr gut sein, dass das Dschungelbuch unter südasiatischen Menschen recht bekannt ist und zwar nicht unbedingt im positiven Sinne, eben wegen Rudyard Kipling - Über den Imperialismus in seiner Literatur gibt es viele Analysen, am bekanntesten vom postkolonialen Theoretiker Edward Said). Long Story Short: Was uns vermutlich als Bewegung weiterbringen würde ist, mit Menschen, deren Familien Opfer kolonialer Gewalt geworden sind, darüber zu sprechen, wie die auf das Dschungelbuch schauen. Wahrscheinlich kriegen wir da sehr viele unterschiedliche, interessante, hilfreiche Perspektiven auf unsere Arbeit.

Zu den Begriffen Rover / Ranger: Soweit ich informiert bin kann Rover auch mit „fahrender Geselle“ übersetzt werden. Ranger kann auch wörtlich „Waldhüter*in“ heißen. Ich bin wie Timon der Ansicht, dass die Begriffe im Englischen auch genderneutral verwendet werden. Das Argument mit den Berufsbezeichnungen verstehe ich noch nicht ganz. Könnt ihr erklären, was euch hier aufgestoßen ist? (interessante Diskussion).

Und hier ein Link von Wikipedia, was Olave Baden-Powell über die Einführung des Begriffes Ranger sagte: „To range“ means to travel, or to rove over wide distances, whether in your mind or your body. A Ranger is „one who guards a large tract of land or forest,“ thus it come to mean one who has the wide outlook, and a sense of responsible protective duties, appropriate to a Senior Guide. Another definition is „to sail along in a parallel direction,“ and so we can feel that the Ranger Guides are complementary to the Rover Scouts. Ranger (Girl Guide) - Wikipedia (für mehr Kontext besser den ganzen Artikel lesen)

Zur Einordnung der Begriffe kann ich nicht viel sagen, wäre sicherlich interessant sich da nochmal tiefer mit auseinanderzusetzen. Aber: Wenn viele von uns die Begriffe nicht genderneutral lesen, dann ist das meiner Meinung nach Grund genug für eine Auseinandersetzung, wie es die Antragssteller*innen ja vorschlagen. Aber hier sollten wir vorsichtig sein: Es kommt immer wieder vor, dass Begriffe, die eher aus der WAGGGS als aus der WOSM-Richtung stammen als uncool abgestempelt werden oder einfach nicht verwendet werden. Was ich interessant fände, wäre zu besprechen, wie wir damit umgehen wollen, wenn einige Begriffe explizit als Selbstbezeichnung für weibliche Pfadfinderinnen eingeführt wurden (für Sichtbarkeit, Teilhabe), sich heute aber nun viele von uns genderneutrale, nicht binär-verhaftete Bezeichnungen wünschen (verständlicherweise). Ich meine einfach, wir sollten die feministischen Erfolge hier nicht vergessen in unseren Überlegungen.

Zum Begriff Pfadfinder: Ich bin mir nicht ganz sicher woher der Begriff selbst „ursprünglich“ stammt. In unsere Bewegung hat er es aber über Referenzen auf First Nation Americans geschafft (sorry für die Fachbegriffe, ich hoffe, die, die es interessiert verstehen den Punkt, ansonsten lasst uns ins Gespräch kommen). Baden-Powell spricht von Kundschaftlern der indigenen Bevölkerung Nordamerikas, die Pathfinder genannt wurden (oder sich selbst so nannten? Weiß ich nicht, müsste man mal recherchieren, denn was Baden-Powell so dachte, was Leute für Begriffe und Traditionen verwendet haben, war häufig auch einfach sein eigener Blick und was er gerade für seine Erzählung brauchbar fand). Lion und Bayer hatten den Begriff wohl sehr klar aus den „Leatherstocking Tales“ (ich hänge hier mal einen Artikel von Lion an, da kann man nachlesen wie in der Blick über die Steppe Namibias inspirierte – Eine Steppe, die die Deutschen z.B. den Herero und Nama wegnahmen, was im Genozid gipfelte und bis heute kaum aufgearbeitet ist). Abenteuerromane aus dieser Zeit transportieren ein Bild von Entdeckertum, dass wir hoffentlich (!) nicht mehr in unserer Pädagogik und unseren Spielgeschichten weitertransportieren (ich denke hier ist vor allem Selbstreflektion und eine Sensibilisierung für kolonialrassistische Klischees wichtig: Was für Ideen und Träume wollen wir weitergeben? Woran denken wir, wenn wir an ein Leben in der Wildnis denken? Wie stellen wir uns den Kontakt mit uns fremden Menschen vor? Etc. etc., nur als Anregung)

Hier würde ich der Argumentation im Antragstext etwas hinzufügen, weil ich das wichtig finde: Ich würde es dennoch so einordnen, dass der Begriff Pfadfinder selbst aus einer kolonialistischen Tradition (oder Weltbild) stammt. Lion und Bayer haben wohl nach einem Begriff gesucht, der weniger militaristisch aussieht, aber was sie dann im Pfadfinderbuch geschrieben haben, liest sich deutlich mehr wie eine Militärausbildung als die weiteren Editionen von Scouting for Boys. Die Bücher sind voll von Anekdoten aus den Kolonien. Die beiden haben sich im heutigen Namibia (damals von Deutschen „Deutsch-Südwestafrika“) kennengelernt (https://discovery.ucl.ac.uk/id/eprint/1558794/1/Bowersox--Bamberg.pdf) . Lion war dort Stabsarzt, Bayer Hauptmann. Von beiden findet man heftig rassistische Schriften, vor allem von Bayer voll von seinen genozidalen geistigen Ergüssen, wen es interessiert: Stephan Schrölkamp hat eine Sammlung von Materialien in seinem Archiv in Steglitz, die er gerne zur Recherche zur Verfügung stellt.
Wichtig festzuhalten: Vor allem bei Bayer kann man ziemlich klar sagen, dass er Mitverantwortung trägt für den Genozid der Deutschen an Ovaherero und Name (z.B. Seite 108 hier https://library.fes.de/pdf-files/bueros/namibia/21437.pdf ). Lion wurde dann selbst im Rahmen des Nationalsozialismus Opfer der antisemitischen Verfolgung (man lernt viel über Deutsche Geschichte und Identitäten, wenn man sich seine Lebensgeschichte mal anschaut).

Weshalb ich das hier schreibe: Ich finde es wichtig, dass hier nicht ohne Kontext der Eindruck erweckt wird, die beiden hätten die militaristische, kolonialistische Tradition besonders tief reflektiert und sich aktiv von ihr abgewandt. Ich verstehe sie nicht als Vorbilder sondern als Täter in einem bisher unzureichend aufgearbeiteten Genozid.

Und zum Begriff und was der heute bedeutet: Ich finde ihn mindestens so cringe wie ich mich gerne damit identifiziere und direkt den Geruch von Lagerfeuer und Wald in der Nase habe wie er mich an unser koloniales Erbe denken lässt. Mich interessiert wie lange wir uns in Deutschland noch so nennen werden – Let’s see.


Ich komme mittlerweile immer wieder zu folgenden Schlüssen in solchen Diskussionen:

  • Ja, wir selbst füllen unsere Gruppenarbeit und damit auch Begriffe mit Bedeutung und Leben. Das ist ein ziemlicher Schatz und wir sollten uns bewusst machen, was wir daran haben – und in Bewegung bleiben.
  • Es würde uns vermutlich aber darüber hinaus auch helfen, zu schauen, wie wir von nicht-Pfadfinder*innen wahrgenommen werden (und für den Anfang: Auch von leiseren Stimmen in unseren eigenen Reihen, die ggf. schon jetzt, von innen heraus ein unwohles Gefühl mit einigen Traditionen haben), vor allem von denen, die wir bisher nicht erfolgreich ansprechen – Denn: Wir wollen ja immer wieder neue Kinder und Jugendliche erreichen und davon überzeugen, bei uns Mitglied zu werden.
  • Und: Wir wollen in unseren Gruppen auf eine Art Pfadfinden leben, die unseren Mitgliedern dabei hilft, den Herausforderungen der heutigen Welt gewachsen zu sein und sich für Gerechtigkeit und eine schöne Zukunft einzusetzen. Wenn wir zu dem Schluss kommen, dass es dabei hilft, hier und da Anpassungen vorzunehmen (bei tief- und weitgreifenden Sachen, die viele auf einmal betreffen am besten eben wohlüberlegt) – Cool!
  • Ich liebe ja diesen Absatz, der hier schon z.B. von Satan zitiert wurde mit „Wir leben in der Welt von heute“ – Bei einer Bewegung mit so vielen Traditionen wie unserer kann es manchmal passieren, dass wir uns etwas selbst im Weg stehen und uns (auch mal unbewusst) Wege verbauen für Veränderung, die wir vielleicht intuitiv schon längst eingeschlagen hätten.
  • Ich persönlich glaube, dass das reine Ablegen von Begriffen nicht so viel bringt, wenn wir uns im Prozess nicht mit dem auseinandersetzen, was dahinter liegt. z.B. eine Sensibilisierung für Auswirkungen des Kolonialismus ganz konkret was Ausbeutung und Diskriminierung angeht. – Die Auseinandersetzung sollte Hand-in-Hand stattfinden. Das soll keine Kritik an diesem Antrag sein, sondern die dazugehörende Diskussion dahin lenken: In was für einer Welt wollen wir leben? Was sind unsere Werte?
  • Abschließend: Ich freue mich ja, wenn sich Leute in Deutschland heute mit Kolonialismus und anderen Systemen von Unterdrückung und Gewalt auseinandersetzen. Einige haben über das Hinterfragen unserer Methodik und Begriffe da einen tieferen Einstieg gefunden – Willkommen im Club :wink:
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… noch hinterher einige Gedanken zum Prozess, der angestoßen werden soll (um den Aufwand zu überblicken):
Wir als AG Kolonialismuskritik haben uns ja bisher stark darauf fokussiert zu Vernetzen, zu recherchieren und Bildungsangebote (Einheiten, Workshops etc.) zu organisieren. Das war das, was wir bisher mit unseren knappen Kapazitäten leisten konnten und das fanden wir auch sinnvoll, weil wir den Eindruck hatten, das erstmal überhaupt eine Sensibilität hergestellt werden muss und es an Zugang zu Wissen fehlte. In unseren Workshops war bisher immer ein Mix aus Leuten, denen die Zusammenhänge bisher komplett unklar waren, von Leuten, denen was aufgefallen war und die sich mehr Hintergrundinfos wünschten (der Großteil), und dann wenige Leute, die schon einiges wussten und weiterdiskutieren wollten.
An dem Antrag sehe ich, dass wir mittlerweile vermutlich einen Punkt erreicht haben, an dem viele Mitglieder sensibel sind für kolonialistische Hintergründe von Begriffen, Methoden etc.
In einem anderen Thread hier wird bemängelt, dass unsere Mitglieder bei Veränderungsprozessen nicht genug mitgenommen werden. Was könnten wir also tun?
Nächste Schritte könnten z.B. sein:

  • Fertige Gruppenstunden und Kurseinheiten zum Thema (im Aufwand nicht zu unterschätzen, wir stehen gerne bereit um zu unterstützen, können das aber aktuell nicht selbst wuppen)
  • einfach zugängliche Ressourcen zum Thema (ich empfehle z.B. die Broschüre "Omundu: OMUNDU | Deutscher Pfadfinder*innenverband NW e.V. und bald soll es mit dem Tagungsband der Fachtagung Pfadfinden immerhin mal gesammelte wissenschaftliche Literatur zum Thema geben)
  • Weiterhin: Workshops, Vorträge und vor allem Diskussionsrunden auf Kursen, Landesversammlungen, Bundesversammlungen etc.
  • … Was fällt euch noch ein?
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Diesem Absatz kann ich sehr viel abgewinnen. Ich denke das kann zu zwei Schritten führen (die sich nicht ausschließen, sondern zu einem tieferen Verständnis führen): Die Stimmen von aktiven Meutenführungen und Wölflingen sind wichtig und mit denen sollten wir sprechen: Was bedeutet es denen Wölfling zu sein und z.B. einen Ratsfelsen zu machen? Was daran ist an das Dschungelbuch geknüpft? (paar weitere Gedanken dazu in meinem Post weiter unten) + Geschichtliche Hintergründe gehören zu der tieferen Bedeutung von Begriffen. Sie können ein Hinweis darauf sein das ggf. eine Weltsicht weitergetragen wird, die nicht mit unseren Idealen übereinstimmt. Hier können wir gemeinsam und jede* r für sich untersuchen und reflektieren wie viel davon weitergetragen wird und wieviel sich wirklich verändert hat und umgedeutet wurde.

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Hab mich jetzt mal durchgelesen.

Mir ist in vielen Bereichen die Diskussion zu akademisch.

Geht an der realen Welt an der Basis vorbei.

Es wird viel Papier etc produziert was aber in den Gruppenstunden gar nicht angenommen wird. Frust auf allen Seiten.

Dann komme „Fertige Gruppenstunden und Kurseinheiten zum Thema (im Aufwand nicht zu unterschätzen, wir stehen gerne bereit um zu unterstützen, können das aber aktuell nicht selbst wuppen)“.

Das ist für die die es vorbereiten (danke an die AG) und für die Basis uns dann als MeuFü/Sifü eher frustrierend, was da oben ventiliert wird. Meine persönliche Empfindung.

Auf der andererseits findet man kein Gruppenleiternachwuchs und die Kurse fallen aus.

Vertrauen, dass die bereite Basis das schon gut macht und je nach aktueller Generation der Kids und Gusto des Umfeldes das differenziert sieht und vermittelt sollte man da dann schon haben.

Diskussion gerne und wichtig, aber dann ein so goßes Fass aufmachen ist mE eher schädlich.

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Zunächst möchte ich betonen, dass ich deine inhaltliche Arbeit und deinen Schreibstil sehr schätze. Du gehst offen an die Themen heran und zeigst Flexibilität in deinen Meinungen. Meine Anmerkung bezieht sich weniger auf deine Arbeit selbst, sondern vielmehr auf die Interpretation und die Schlussfolgerungen, die von anderen daraus gezogen werden. Es scheint, dass in einigen Fällen konkrete Wertungen und Handlungsbedarfe formuliert werden, die aus meiner Sicht nicht ergebnisoffen sind.

Auch wenn du dich jahrelang mit dem Thema intensiv auseinander gesetzt hast, könnten deine Einschätzungen zu dem Thema in Teilen fehlgeleitet sein bzw. nicht das ganze Bild abdecken. Damit stelle ich nicht deine Kompetenz infrage, sondern das ist Kern wissenschaftlicher Arbeit.

Nachfrage zum Kontext: Meinst du, z.B. maorische Bevölkerung möchte nicht in deutschen Pfadfinderbänden mitmachen? Oder lehnen sie Pfadfinderei generell auch in ihrem Land deswegen ab? Wurden konkrete Bünde benannt? Wie steht eigentlich die konkrete indische Perspektive zu diesem Thema, da sie ja noch viel direkter betroffen sein müssten?

Gerade bei Externen könnte auch nur das öffentliche Image eine Rolle spielen, das zum Beispiel von der Maori-Gemeinschaft oder ähnlichen Gruppen im Zusammenhang mit dem Dschungelbuch abgeleitet wird. Es könnte durchaus sein, dass Missverständnisse oder Fehlinterpretationen auf deren Seite vorliegen und nicht unbedingt auf einer falsch gelebten Praxis von unserer Seite. Eine bewusste und offene Diskussion könnte helfen, mögliche Missverständnisse zu klären und zu einer besseren Verständigung beizutragen.

Ich würde mich sogar soweit aus dem Fenster lehnen wollen, dass eine 4-wöchige Probeteilnahme an den Gruppenstunden das Thema schon vollständig in Luft auflöst.
Da kann der BdP gern Image-Pflege betreiben, was nicht heißt, dass interne Strukturen angegriffen werden müssen.

Außerdem würde mich deine Meinung interessieren, wie du den Aspekt in dem Antrag siehst, dass die Begriffe „Wölfling“ negativ konnotiert sein sollen. Aus einer wissenschaftlichen Perspektive lässt sich dies vermutlich nicht als allgemein gültig betrachten, da die Wahrnehmung solcher Begriffe stark von der subjektiven Sichtweise abhängt. Zum einen könnte dies von der konkreten Arbeit mit dem Dschungelbuch abhängen, die, wenn ich es richtig verstehe, bisher noch nicht eingehend überprüft wurde. Nur weil das Gruppenstundenprogramm Elemente aus dem Dschungelbuch (Film oder Buch – das ist hier die Frage) aufgreift, bedeutet das noch lange nicht, dass z.B. rassistische Aussagen automatisch unreflektiert übernommen und weitergegeben werden.

Aufklärung wie du sie betreibst, gerne, ich fand deinen Pfadeartikel grundsätzlich interessant und gut geschrieben. Auch schätze ich es, wenn sich jemand in ein Thema „reinfuchst“ und sein Wissen weitergeben möchte.

Ich störe mich nur an der Priorisierung solcher Themen im Alltagsgeschäft (siehe hierzu meine separaten Kommentar) und vorweggenommene Prämissen und daraus abgeleiteten Aktionismus, der eine ungute Eigendynamik entwickeln kann, welche genauso kritisch reflektiert werden muss, wie das eigentliche Thema.

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Meine Meinung an die Bundesdelegierten in der Zusammenfassung

Um den Antrag kurz und prägnant für die Bundesdelegierten und Verantwortungsträger zusammenzufassen:

Leider kann ich den Nutzen und den Mehrwert des Antrags in der aktuellen Form nicht erkennen, aus mehreren Gründen:

  • Prämisse: Der Antrag geht davon aus, dass bereits ein Problem besteht, was die Diskussion nicht ergebnisoffen lässt.
  • Wölflingsbegriff: Es wird unterstellt, dass der Begriff „Wölfling“ negativ konnotiert ist.
  • Handlungsdruck: Daraus ergibt sich der Eindruck, dass künftige Verantwortungsträger die „Probleme“ lösen müssen, was zusätzliche Ressourcen und Zeit bindet und möglicherweise nicht die gesamte Basis mitnimmt.
  • Genderproblem: Das angesprochene Genderproblem bei den englischen Begriffen „Ranger“ und „Rover“ erkenne ich nicht an.
  • Hintergründe der Namensgebung: Zwar sind die historischen Hintergründe der Namensgebung ggf. problematisch und es ist wichtig, darüber aufzuklären, aber ebenso sollten wir hervorheben, wie wir diese Herausforderungen bereits in der täglichen Wölflingsarbeit überwunden haben. Dies könnte eine positive Imagepflege fördern und dazu beitragen, dass Bevölkerungsgruppen wie die Maori noch stärker willkommen geheißen werden.
  • Identität und Kontinuität: Identität und Kontinuität sind keine veralteten Phrasen, die überwunden werden müssen, sondern wertvolle Grundprinzipien, die es zu bewahren gilt – es sei denn, sie stellen ein echtes Problem in der gelebten Praxis dar.

Meta-Ebene – Eine Reflexion für den Bundesvorstand und die Delegierten:

Bei aller Ehre für das Engagement im Bereich politischer Aufklärung und Tagesaktualität poltischer und gesellschaftlicher Themen, denen sich der BdP-Vorsitz (leider) auch stellen muss und die er zu vertreten hat: Es gilt die richtige Balance zu finden.

In den letzten Jahren scheint (aus meiner Sicht und ich denke, ich vertrete keine Einzelmeinung, die man wegignorieren sollte) die Gewichtung auf politischen und gesellschaftlichen Themen zu stark zugenommen zu haben. Wenn diese Themen falsch priorisiert werden, könnten sie mehr Schaden als Nutzen anrichten. In meinen Augen reflektieren die Arbeitskreise dieses Thema bislang nicht ausreichend und selbstkritisch.

Nutzen mit Nebenwirkungen – ein altbekanntes Problem, das keineswegs neu ist. Wer einen Blick in die Geschichte wirft, wird zahlreiche Beispiele finden. In der aktuellen Situation zeichnet sich bereits ein Trend ab, dass ganze Stämme den BdP verlassen. Immer mehr Mitglieder fühlen sich nicht mehr als „EINS“, sondern es entsteht ein „Wir und die“.

Dies stellt ein viel größeres gesamtgesellschaftliches Dilemma dar, was der BdP aktuell nur 1:1 kopiert – eine Chance für die Pfadfinderschaft, zu zeigen, was sie kann: Vereinen statt spalten. Doch auch hier entstehen klare Trennlinien zwischen:

  • „DIE mit Gendersprache“ und „DIE anderen“
  • DIE, die keine politischen Positionierungen wünschen, und DIE, die sich bspw. von der AfD distanzieren wollten
  • DIE FLINTA*s und DIE heterosexuellen Männer
  • usw.

Man kann viel über Baden-Powell und seinen militärischen Hintergrund sagen. Aber dieser weiße alte britische Mann hat uns EINE Kluft gegeben und uns vereint raus in den Wald geschickt. Und daran sollten wir uns mal wieder erinnern.

Die Pfadfinderbewegung verfolgt das Ziel, jungen Menschen Werte wie Teamarbeit, Verantwortungsbewusstsein und Selbstständigkeit zu vermitteln, indem sie praktische Erlebnisse im Freien und in Gruppen fördern.

Stell dir vor, ein Pfadfinderleiter fokussiert sich plötzlich ausschließlich auf das Basteln von kleinen Kunstprojekten oder das Erlernen von theoretischen Pfadfinderwissen (z. B. alte Traditionen, die für die Mehrheit der Pfadfinder nicht mehr relevant sind), anstatt den Jugendlichen praxisorientierte Fähigkeiten wie Feuer machen, Zeltaufbau oder Teamarbeit beizubringen.

Die Gruppenmitglieder haben jedoch andere Erwartungen: Sie wollen in erster Linie Handlungsfähigkeit und Gemeinschaft erleben. Sie fühlen sich zunehmend von den theoretischen Themen entfremdet und verlieren das Vertrauen in die Leitung.

Kurzfristig könnte die Gruppe stolz auf ihre künstlerischen Werke sein, aber langfristig führt diese Fehlfokussierung dazu, dass die grundlegenden Werte und Fähigkeiten der Pfadfinder nicht mehr vermittelt werden. Die Gemeinschaft verliert ihre Bindungskraft, und die Pfadfinderbewegung als Ganzes wird weniger effektiv.


In komplexen Verbandsstrukturen kann es genauso vorkommen, dass einzelne Entscheidungsträger gezielt Themen forcieren, die innerhalb der Struktur zwar strategische oder symbolische Vorteile bringen, aber nicht mit den tatsächlichen Prioritäten der Gesamtorganisation übereinstimmen.

Solche „Nischenprioritäten“ erzeugen zwar kurzfristige Erfolge, wie etwa sichtbare Ergebnisse in Leuchtturmprojekten oder eine stärkere Profilierung einzelner Gruppen oder Personen. Sie können sich aber als kontraproduktiv herausstellen, da sie langfristig die Organisation schädigen.

Mögliche negative Auswirkungen auf die Organisation:

  1. Ressourcenverschwendung: Zeit, Aufmerksamkeit und Budget fließen in Themen, die nicht von strategischer Relevanz für die Mehrheit der Mitglieder sind.
  2. Vertrauensverlust: Die Basis fühlt sich nicht gehört und der Eindruck entsteht, dass die Organisation nicht mehr „an den Menschen arbeitet“.
  3. Rückzug von Mitgliedern: Engagierte Mitglieder ziehen sich zurück oder verweigern die Mitarbeit, weil sie sich nicht mehr repräsentiert fühlen.
  4. Reputationsrisiken: Externe Partner oder Förderer könnten den BdP als ineffizient oder realitätsfern wahrnehmen.
  5. Organisatorische Dysfunktion: Eine Diskrepanz zwischen strategischen Zielen und der praktischen Umsetzung könnte langfristig zur Dysfunktion der gesamten Struktur führen.

Wenn der kurzfristige Nutzen solcher Themen überbewertet wird, besteht die Gefahr eines strategischen Blindflugs, bei dem „etwas getan wird – aber das Falsche“. Das kann dazu führen, dass die Organisation ihre innere Bindungskraft und Glaubwürdigkeit verliert und langfristig ihre Handlungsfähigkeit beeinträchtigt wird.

Parallele zum Problem: Wenn eine Führungsebene die Prioritäten falsch setzt und dabei die alltäglichen Bedürfnisse und Anliegen der Mitglieder aus den Augen verliert, entsteht eine Entfremdung, die das Gemeinschaftsgefühl und die operative Stärke gefährdet.
Nebenbei: Von wem erwartet ihr eine Gegenrede oder ein passendes Feedback? Von 14-Jährigen Pfadis auf der Landesversammlung? Von Menschen, die schon lange keinen Bock mehr auf Foren wie dieses haben, weil sie sich eh nicht gehört geschweige denn verstanden fühlen? Oder von den Gruppenführern, die schon genug Arbeit damit haben, weil sie ein Raumschiff für die nächste Gruppenstunde bauen müssen? Mein Ratschlag: Seid dankbar für jede konstruktive Rückmeldung, die ihr erhalten könnt. Sie hilft uns, zu wachsen und uns kontinuierlich zu verbessern.

Dank und abschließende Überlegungen:

Abschließend möchte ich an dieser Stelle (bei aller berechtigten Kritik) meinen Dank für den engagierten Einsatz der Arbeitskreise ausdrücken. Ihr nehmt euch die Zeit, um euch mit strukturellen Themen auseinanderzusetzen – Zeit, die an der Basis oft fehlt. Zudem bringt ihr wertvolle Kompetenzen mit, die es ermöglichen, auf formeller Ebene Veränderungen zu bewirken. Das ist alles andere als selbstverständlich und verdient Anerkennung.

Dennoch möchte ich euch dazu anregen, euch der Verantwortung bewusst zu sein, die mit dieser Arbeit einhergeht. Überlegt euch daher lieber zweimal: Legen wir gerade die Prioritäten richtig? Was braucht die Basis? Bringt das, was wir tun, wirklich einen langfristigen Nutzen für die gesamte Organisation? Und, nicht minder wichtig, welchen Schaden könnte es unbeabsichtigt anrichten?

Wenn ihr diese Fragen bedacht beantwortet, bin ich überzeugt, dass der BdP (noch) die richtigen Voraussetzungen mitbringt, um die Pfadfinderschaft insgesamt ein Stück weit besser zu hinterlassen, als er sie vorgefunden hat.

HGP
Mammen


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Hallo in die Runde,

zuerst einmal vielen Dank Fuchs für deinen Input zur kolonialen Geschichte und die Ideen in welche Richtung gearbeitet werden könnte.
Diese ganzen Dinge sind alles Inhalte und Diskussionen, die wir uns auch für den möglichen Prozess wünschen würden.

Generell haben wir das Gefühl hier nicht mehr erklären zu können, als wir es bislang schon getan haben.
Sollte es noch konkrete Fragen zum Antrag selbst geben, beantworten wir diese gerne.

Liebe Grüße

Günni und Josephine

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