Moin allerseits.
Da ich nur alle paar Tage mal Zeit finde auf Beiträge zu antworten, werden meine Antworten, dann manchmal etwas länger. Außerdem bedürfen manche Themen einer gewissen Ausführlichkeit, um Verständlichkeit zu erreichen. (Ich beziehe das “einige” einfach mal auf mich, auch wenn ich mich ungern mit “einige” ansprechen lasse und das für mein Verständnis auch nicht zum gepflegten Umgangston unter Pfadfinder*innen bzw. überhaupt unter Menschen gehört.)
Parteipolitische Unabhängigkeit
Ich kann beide Seiten verstehen, nichtsdestotrotz muss ich @dustin zustimmen und dir, @Lotti, sei gesagt: Definitionen sind keine Meinungen. Dustin zitiert hier allgemein anerkannte Definitionen. Es würde uns gut zu Gesicht stehen, uns an diese zu halten, statt eigene zu entwickeln, ohne dabei auf sprachwissenschaftliche, politikwissenschaftliche und philosophische Expertise zu hören – Expertise, wie sie eingegangen ist in die Definitionen, wie sie von Dustin herangezogen werden. (Und wo wir schon dabei sind, unsere politischen Zugehörigkeiten und Arbeitsfelder zu benennen: Ich bin philosophisch grundgebildeter Historiker und Politikwissenschaftler und kann sagen: Jep, das sind allgemein anerkannte Definitionen.)
Negative Abhängigkeit & warum AfD
So nenne ich jetzt mal die These, durch unsere Ablehnung einer Partei wären wir negativ abhängig von dieser, wie @Malte_M und @Lotti sie vertreten. Das ist natürlich logisch richtig, aber es ist nicht richtig, dass wir uns durch diesen Beschluss von der AfD negativ abhängig machen, denn:
- Wir werden auch ohne die AfD weiter existieren.
- Das Wörtchen “wie” vor der Aufzählung AfD, IB, Pegida bedeutet: z.B. Die genannten sind also nur ein Beispiel, denn:
- Sie sind nur die aktuelle Spitze des Eisbergs. NPD, DVU, Die Rechte, III. Weg, REPs, Autonome Nationalisten und co. haben glücklicherweise nie die Relevanz erreicht, wie sie die AfD jetzt hat. Ja einige dieser Parteien saßen und sitzen in Parlamenten in Land und Kommunen, aber: nie im Bundestag und (während der Existenz des BdP) nie im niedersächsischen Landtag (https://de.wikipedia.org/wiki/Niedersächsischer_Landtag#Sitzverteilung_seit_1947 … und das obwohl Niedersachsen eine glorreiche Vergangenheit als Nazi-Hochburg hat). Es geht also um Relevanz.
- Bei Parteien wie der NPD, Die Rechte, III. Weg ist wohl allen klar, dass sie unter § 4, Abs. 2 Bundessatzung fallen, dazu muss kein Beschluss gefasst werden. Bzgl. der AfD ist das durchaus umstritten, deshalb möchten wir eine Entscheidung des Landesverbands dazu herbeiführen (damit es hinterher nicht heißt: “Ey blöder Vorstand, warum habt ihr denn den jetzt rausgeschmissen, AfD ist doch gar nicht § 4, Abs. 2!”)
Präventivschlag
- Wie Dustin gesagt hat, lässt sich bereits durchaus beobachten, dass die AfD sich uns gegenüber nicht freundlich verhalten wird. Und auch wenn andere Parteien da ähnlich drauf sind (frag doch mal die Bayern, wieso eine Bildungsfahrt nach Berlin viel mehr kostet als bei uns), sticht die AfD da doch besonders heraus. Sie ignoriert Jugend vollkommen, es gibt für sie keine Jugend! Es gibt Kinder, die man beschützen muss vor den Homos=Pädos, der Genderideologie und der Islamisierung. Aber es gibt keine Jugend: Mit 12 muss man vernünftig sein (s.u.). Und sie vertritt eben ein Weltbild, das unsere Satzung als unvereinbar definiert.
- Sollen wir denn warten, bis es zu spät ist?! Ich wiederhole das: Sollen wir denn warten, bis es zu spät ist? Eine solche Strategie hat sich historisch schon immer als besonders erfolgreich erwiesen, genauso wie Appeasement und Anbiederung. Also: yeah, let’s do it. Aber wie gesagt: Die AfD hat in Kommunalparlamenten schon gezeigt, wes Geistes Kind sie ist.
Strafmündigkeit
Ich glaube, da liegt ein Missverständnis vor. Die AfD will nicht einfach das Strafmündigkeitsalter senken, sondern:
- EDIT nach @Lottis Hinweis (danke dafür!): im Zusammenhang mit den Aussagen über kriminelle Ausländer*-innen, die Abschaffung von Abschiebehindernissen und dergleichen ist zu befürchten, dass eine Ungleichbehandlung von ausländischen und deutschen Kindern und Jugendlichen angestrebt wird.
- der gestiegenen Verantwortung für sich selbst, dass man so vernünftig sein muss, keine Straftaten zu begehen, dieser Pflicht stehen keine neuen Rechte gegenüber: Man darf weiterhin nicht wählen; man darf sich nicht in seiner Gemeinde beteiligen; man darf nicht selbst entscheiden, ob man seinen Körper mit Alkohol oder Zigaretten kaputt macht; man darf keine Verträge abschließen usw. usf. Es geht wirklich nur darum, die Strafmündigkeit zu senken, alles andere bleibt, wie es ist. Das ist absurd! Und es hilft uns in keiner Weise, denn es setzt unsere Jugendlichen nur unter einen größeren Druck statt ihnen mehr Freiheit zu geben.
- Es geht also nicht nur um die Strafmündigkeit, sondern allgemein darum, dass für die AfD Jugend nicht existiert. Jugendliche sind nicht kleine Erwachsene (das zu denken widerspricht allem, wofür sich die Jugendbewegung gegründet hat!)! Jugendliche haben ein Recht auf Ausprobieren, auf Fehler machen, auf einen geschützten Rahmen, in dem sie eben dies tun können. Das will ihnen die AfD nicht zugestehen. Ich sehe nicht, wo uns das entgegen kommen sollte!
Ich bin übrigens ernsthaft erschreckt, @Lotti, dass für dich Gesetzesdruck ein legitimes pädagogisches Mittel darstellt.
(Nichtsdestotrotz gibt es Dinge, die ich unterschreiben würde: Ich möchte auch keine Ideologisierung der Kinder und Jugendlichen in der Schule… und genau deshalb bin ich gegen die Indoktrinierungspolitik der AfD. Und ich sehe das Kopftuch auch nicht als feministisches, befreiendes Statement an, trotzdem würde ich es nicht verbieten.)
Verfassungsmäßigkeit
- Natürlich ist der Verfassungsschutz nicht die vertrauenswürdigste Quelle. Als Mensch, der bis zu deren Abriss täglich an der alten Garage von Beate und ihren beiden Uwes vorbeigefahren ist und der dementsprechend bis zu seinem Wegzug von einem Ministerpräsidenten regiert wurde, der sich Jahre zuvor erfolgreich gerichtlich gegen seine Überwachung durch den Verfassungsschutz gewehrt hat (wer’s immer noch nicht hat: Thüringen, das Land ohne Prominente), ist mir das durchaus im Bewusstsein. Nichtsdestotrotz stellt er zusammen mit politikwissenschaftlichen Einschätzungen eine erwähnens- und beachtenswerte Quelle dar, gerade wenn er mal davon spricht, was sein rechtes Auge sieht.
- Es ist doch vollkommen egal, ob die AfD, die Rechte, die IB, Pegida, der III. Weg, die NPD, die REPs, die DVU, die diversen Nazi-Jugendbünde oder die diversen Reichsbürgervereinigungen von einer staatlichen Institution als verfassungswidrig eingestuft sind (denn dann gäbe es sie nicht mehr!), sondern es geht darum, ob wir sie als unvereinbar mit uns ansehen, als Parteien, die unter § 4, Abs. 2 fallen.
- Es wird vor allem deshalb nicht über ein Verbot der AfD diskutiert, weil das extrem schwierig ist, weil man damit in letzter Zeit schlechte Erfahrungen gemacht hat, und weil es bei der AfD eben noch recht uneindeutig ist, ob sie wirklich eindeutig verfassungswidrig ist. In der Presse wird darüber übrigens aber schon diskutiert.
Dringlichkeit
Stimmt, es fehlen ganze 15 Stunden (!) zur Meinungsbildung. Respekt! Selbst wenn diese Antragsfrist eingehalten worden wäre, hätte es wegen Krankheit in der LGS noch anderthalb Wochen zum Versand gedauert, auf nds.meinBdP stand der Antrag jedoch schon seit besagtem Zeitpunkt zur Verfügung. (Irgendwie erinnert mich diese Argumentation gerade an die Argumentation derjenigen, die meinten, die Ehe für alle dürfe jetzt nicht so spontan beschlossen werden, weil man ja keine (vulgo: 2 Jahre) Zeit gehabt hätte, sich damit zu beschäftigen.)
Danke. Das ist die Begründung für die Dringlichkeit, denn ich und mit mir offenbar einige andere auch sehen das anders. Auch wenn du das mit diesem Anspruch absoluter Bestimmung ausdückst, ist es falsch, dass “eine Aussage über die AfD” uns unserer parteipolitischen Unabhängigkeit beraubt (siehe Dustins Beiträge und meine Ausführungen oben). Ist denn etwa eine Forderung an die Parteien zur Wahl auch parteipolitisch? Ohja! Übrigens ist es hier doch lediglich so, dass wir eine inhaltliche Aussage treffen und dann im zweiten Schritt merken: Oh, die AfD steht dem entgegen. Und ich erinnere daran, dass du durchaus die Möglichkeit hattest, dich schon im Vorfeld dieses Beschlusses des LJR daran zu beteiligen!
Da im nächsten Jahr zu erwarten ist, dass wir im LJR wieder mit AfD-bezüglichen Themen zu tun haben werden und es offenbar innerhalb des Verbandes einen Dissens zu diesem Thema gibt, ist dieser Antrag dringlich.
Darüber hinaus, @Malte_M, möchte ich mich entschieden gegen den Vorwurf wehren, wir hätten hier etwas durchdrücken wollen! Hätten wir diese Entscheidung durchdrücken wollen, hätten wir es so gemacht: keinen Antrag gestellt, sondern uns in der Landesleitung damit auseinandergesetzt und dem Vorstand eine Empfehlung an die Hand gegeben wie mit eventuellen AfD-Mitarbeiter*innen umzugehen sein könnte. Stattdessen haben wir uns ausführlich mit diesem Thema beschäftigt und haben dann (ich habe das bereits erklärt und bitte darum, das vielleicht nochmal aufmerksam zu lesen) die Frist wegen eines bloßen Formfehlers um 15 Stunden verpasst PLUS es gab einen Krankheitsfall. Wenn du uns hier mit dem Begriff “Druckdrücken” eine Absicht unterstellst, empfinde ich das geradezu als beleidigend, dass du uns das immer noch unterstellst, obwohl ich doch bereits klar gemacht habe, dass eine Absicht nicht dahinter lag!
Ausschlussverfahren
Offenbar hast du als blutjunger Sifü davon doch nicht so viel mitbekommen, @Malte_M. Ich empfehle die Lektüre der Ausschlussordnung. Es ist auch in diesem Fall @dustin recht zu geben. Für Dustin und mich ist es durchaus nicht das erste Mal, dass wir uns zum Thema Ausschluss miteinander austauschen, weil es in unserem Stamm einmal akut geworden war. Es war schließlich der Landesvorstand, der zu dem Schluss gekommen ist, dass ein Verfahren, das sich bei Gegenwehr des Auszuschließenden auf gut 2 Jahre hinziehen kann bei unsicherer Aussicht auf Erfolg für den Stamm, keinen Sinn hat. Der Grund war damals, dass der Landesvorstand die Gründe des Stammes zwar stammesintern nachvollziehen konnte, aber unsicher war, ob das nicht am Ende keinen Erfolg vor der Bundesversammlung, d.h. in Bezug zu den Vorgaben der Satzung, haben würde. Es wurde sich dann anderweitig geeignet. Solche Fälle finden, das weiß ich aus meiner Landesvorstandszeit, alle paar Jahre mal wieder statt. In solchen Fällen handeln Bundes- und Landesvorstand extrem sensibel. Und das ist auch gut so. Und wird sich durch diesen Antrag nicht ändern.
Und auch ich weise nochmal darauf hin: Ein unauffälliges AfD-Mitglied ist natürlich relativ unproblematisch; wenn es jedoch Möglichkeiten zur Beeinflussung von Kindern und Jugendlichen erhält, wird es problematisch. Genauso kann es eigentlich total egal sein, wenn man ein Mitglied hat, das seit 6 Jahren niemand mehr gesehen hat, das aber brav seinen Beitrag bezahlt, und das aber ansonsten Autos in Neukölln anzündet (bevor hier eine falsche Annahme entsteht: Die Täter waren Nazis, nicht Linke, auch wenn Frank Henkel natürlich alternative Fakten hatte.)
Diese Sensibilität ist es übrigens auch, weswegen zwei Mitglieder dieses Landesverbands, denen zwischenzeitlich eine gewisse Nähe zu dieser Partei nachgesagt wurde, noch Mitglied dieses Landesverbands sind. (Konkret: Eine Diskussion über einen möglichen Ausschluss stand nie auf der Tagesordnung!!) Und m.W. auch nicht mehr mit dieser Partei sympathisieren. Wie bereits gesagt: Daran würde sich nichts ändern!
Satzung
Noch einmal ganz kurz dazu: Die Satzung spricht ja in § 4, Abs. 2 ganz explizit von Parteien! Daraus folgt: Es muss Parteien geben, die mit uns unvereinbar sind. Was diese Parteien vertreten müssen, um diese Unvereinbarkeit zu erfüllen, ist ebd. definiert. Somit dürfen, nein: müssen wir jetzt definieren, ob Partei X diese Anforderungen erfüllt oder nicht. Üblicherweise würde man das dem Vorstand überlassen. Wir wollten das aber in die Landesversammlung nehmen. (@Malte_M: Nennst du das Durchdrücken? Ist das undemokratisch?)
letzte Ergänzung
Damit schlägst du wunderbar einen Bogen zu dem, was @Malte_M die ganze Zeit schon anspricht: Den BDP. Denn dem ist genau das passiert. Mit etwas Verzögerung hat ein neuer politisch-kulturell-gesellschaftlicher Mainstream (links) ziemlich krassen Einfluss auf ihn bekommen. Momentan analysieren Beobachter*-innen und fordern namhafte Publizist*-innen und Politiker*-innen eine “konservative Revolution” (Ich liebe Begriffsgeschichte: https://de.wikipedia.org/wiki/Konservative_Revolution) bzw. eine Wende gegen 68, einen eher konservativen, rechten neuen politisch-kulturell-gesellschaftlichen Mainstream. Sollen wir den, namentlich die AfD und ihre rechtsradikale(re)n erstmal kommen lassen? Sollen wir den gleichen Fehler machen wie der BDP? Warten, bis es zu spät? (Oh, I already said this. And I’ll say it again:) Sollen wir denn warten, bis es zu spät ist?